Mittwoch, 25. Januar 2017

Die Irrfahrt der Olympia

Die Kindergeburtstage waren bei uns in den letzten Jahren durch eine halbwegs aufwendige Organisation geprägt. Es waren jeweils größer angelegte Veranstaltungen mit Programm, Zeitplan und einer entsprechenden Vorbereitung. Es gab Zaubererschulen, Rallys mit wilden Plüschtieren und Kostümparties. Zuletzt hat sich der Große für seinen Geburtstag etwas anderes gewünscht: Eine Rollenspielsitzung mit seinen Gästen.

Es gab nur eine weitere Auflage dazu: Es sollte etwas mit ein wenig mehr Dramatik und Action sein. Es musste "cool" sein. Woher soll ich wissen, was (andere) 8 bis 9-jährige Kinder "cool" finden?

Ich hatte keine Ahnung, wo ich die anderen Kinder abholen sollte. Meine Jungs und ein weiterer Gast sind - geprägt durch ihre Eltern - erfahrene Rollenspieler. Und eigentlich ist es ja nicht so, das anderen Kindern das Konzept an sich fremd ist. Aber irgendwie soll es ja auch mit funktionierenden Regeln und einer halbwegs klaren Struktur gehen, so meine Vorstellung. Und den Ansprüchen der Profis wie auch der Anfänger genügen.

Das Konzept

Dieser Tage sind (bei uns) mehr denn je Raumschiffe und Abenteuer im All "cool", das war meine erste inhaltliche Überlegung. Die zweite Überlegung gehörte der Charaktererschaffung, die als Einleitung Teil des Spiel sein könnte. Ich hatte natürlich wieder Fate vor Augen und da ich nicht vorhersehen konnte, inwieweit es mir gelänge, die Spieler am Anfang mit Worten einzufangen, wollte ich das ganze in einem halbfertigen Zustand an die Kinder ausliefern, mit optisch-haptischen Elementen. In meiner Zeit war das anders, aber in den letzten Jahren ging es bei Kindergeburtstagen auch immer irgendwie darum, was die Gäste an kleinen Geschenken mit nach Hause bringen. Ein Beutel voller Käpt’n Sharky-Kleinigkeiten, Aufklebtattoos, Seifenblasen, Luftballons und natürlich auch Süßigkeiten. Der ganze Aufbau sollte also am Ende als Geschenk bei den Gästen verbleiben.

Ich hatte mir eigens für modulare Fate-Idee mal Bögen mit bedruckbaren, vorgestanzten Visitenkarten besorgt und diese sollten dann auch hier die Charakterdaten enthalten. In verschiedenen Geschäften suchte ich dann noch - halb geplant, halb durch einen entsprechenden Fund inspiriert - kleine Baumwollbeutel, Lanyards, bunte Karabinerhaken und kleine Gardinenklammern. Dazu warf ich noch meine persönliche Sammlung an Fate-Würfeln in die Runde und ebenfalls bisher für Fate verwendete Glassteine.

Am Ende sah das ganze so aus (die Lanyards sind nicht auf dem Bild und die hier zu sehenden Pokerchips wurden später durch die Glassteine ersetzt):


Wie schon früher, sollten die Kinder keine Menschen spielen, aber natürlich auch keine Plüschies (nicht unbedingt für unsere, aber für die anderen Kinder vielleicht zu "uncool"). Also kam ich auf Roboter. Und dann kam so langsam die ganze Idee zusammen. Die Geschichte geht so:

Der große Luxusliner Olympia gleitet durch das All, mit urlaubenden Passagieren und einer engagierten Besatzung. Die wichtigsten Aufgaben an Bord werden von Robotern erledigt, die in praktisch jedem Bereich zu finden sind. Ein Roboter hat allerdings seit kurzem eine Fehlfunktion und verursacht eine Reihe von Problemen. Aus einigen Bereichen werden Bereitschaftsroboter zusammen gesammelt, die diese Probleme beheben und den Saboter (die Kinder hatten natürlich keinen Sinn für das Wortspiel) fangen sollten. Gelingt es ihnen, kommt das Schiff wohlbehalten am paradisischen Zielplaneten an. Misslingt es, müssen sie beidrehen und eine Werft ansteuern, was für alle an Bord natürlich eine Katastrophe wäre.

Die Helden

Die Daten der heldenhaften Roboter fanden sich jeweils auf vier Karten: Einem Bild (eine Silhouette, die ich im Internet fand), einem Konzept (z.B. Transportroboter, Putzroboter, Roboter-Arzt), einer Kombination aus Methoden und einem besonderen Anbau (regeltechnisch ein Aspekt). Ich habe die Roboterkarten gemischt und jeder Spieler durfte eine ziehen und so wurde der Roboter durch Zufall erstellt. Wie Kinder so sind, war natürlich nicht jeder mit seiner Wahl zufrieden (vor allem Profis können auch Divas sein). Es durfte also mit dem zusätzlichen Satz, den ich für einen weiteren Spieler vorbereitet hatte, der nicht kam, getauscht werden. Am Ende hatte jeder einen zufällig zusammen gewürfelten Roboter (noch immer waren nicht alle zufrieden) und der zusätzliche Satz bescherte mir den Saboter. Hier war es zufällig ein besonders sorgfältiger Roboter-Koch.

Das auswählen, bestaunen und vergleichen war schon eine ziemlich wilde Angelegenheit, aber ich lies sie eine Weile machen und versuchte sie dann wieder in die Geschichte zu bringen. Ich hatte eine blasse Raumschiffsilhouette ausgedruckt und einen Stift bereit gelegt. Die Spieler sollten das (einem bekannten Kampfstern zum Verwechseln ähnlich sehende) Raumschiff in sechs Bereiche zerlegen und im Laufe des Spieles wanderten die Roboter von Bereich zu Bereich um dort Schäden festzustellen. Das war alles sehr wild und zehrte sehr an meinen Nerven. Selbst mit erwachsenen Rollenspielern empfinde ich solch große Runden als überaus anstrengend (denkt Euch nichts dabei, wenn Ihr schon mal in einer solchen bei mir wart), aber mit Kindern ganz unterschiedlicher Temperamente ist das eine echte Herausforderung. Es ist ja nicht so, dass ich nicht auch mal ein paar Semester Pädagogik studiert habe, aber die Ansätze waren auf eine deutlich ältere Zielgruppe ausgerichtet...

Den ersten Problembereich (Maschinenraum) gab ich vor und so auch das Problem (in die laufenden Maschinen geworfenes Werkzeug). Dann habe ich die Methodenkarten aus dem Fate-Kartendeck (erstmals) bemüht und die Methode ausgewählt, mit der das Problem am besten zu beheben war. Es war eigentlich gedacht, dass die Kinder nun gemeinsam darüber diskutieren sollten, wie man mit der Methode das Werkzeug entfernt und die Schäden repariert. Ich habe dazu ein paar blumige Umschreibungen geliefert, um das für die Kinder greifbar zu machen. Aber ich war wegen des Lärms und des Umstandes, das manche Kinder lieber über ganz andere Dinge sprachen (oder andere Dinge machten) etwas in Panik und gab spontan vor, dass derjenige, mit dem höchsten eigenen Wert in der Methode in diesem Bereich das Sagen habe und das ganze koordinieren sollte. Das klappte halbwegs (aber nicht völlig ohne Beleidigt-sein oder andere Vorstufen des Streits) und ich konnte einen Augenblick Luft holen und mich auf das Beantworten von Fragen zurückziehen. Am Ende hatten die Kinder grob einen Plan, was jeder zur Lösung beisteuern könnte und jeder musste nun eine Probe auf die passende Methode machen, damit sein Handeln erfolgreich ist. Ich würfelte einmal dagegen, was die Bemühungen des Saboters simulierte. Am Ende mussten mehr als die Hälfte der Proben erfolgreich sein.

So ging das ganze dann Sektion für Sektion weiter. Viele Kinder hatten eigene Idee in Bezug auf den Aufbau eines Raumschiffes und der Lösung für Probleme, aber nicht alle. Zwar gab es bis zum Ende Kinder, die mit dem ganzen meiner Wahrnehmung nach nicht warm wurden und nur punktuell in die Geschichte einstiegen, aber es passierten eine Reihe unterhaltsamen Geschichten im Laufe des Spiels. Zum Beispiel im Frachthangar, bei dem Versuch ausgebüxte Käfratze einzufangen (wir konnten uns nicht darauf einigen, ob es Käfer oder Ratten sein sollten...) und auf dem Passagierdeck mit der ausgefallenen künstlichen Schwerkraft und dem Versuch, alle fliegenden Passagiere zu bergen, bevor die Gravitation wieder hergestellt wurde. Die Kinder durften bei Misserfolgen auch ihre Aspekte einsetzen, wenn sie erklären konnten, wie diese helfen sollten (jeder hatte drei Fate-Punkte dafür). Das waren zum Beispiel Flugdüsen, Schneidbrenner oder magnetische Hände und Füße.

Nach einer guten Stunde waren wir durch und der Saboter im letzten Moment überwältigt (mit dem Zudrücken von dem einen oder anderen Auge bei der SL).

Fazit

Ich war geschafft und froh, dass ich das hinter mir hatte. Das will ich in dieser Form auf keinen Fall wiederholen. Sollte ich nochmals etwas ähnliches angehen, will ich eine kleinere Runde haben (er hatte sowieso schon weniger eingeladen, als wir mal ausgemacht hatten... zum 7. Geburtstag 7 Kinder usw. - er wurde 9). Ich will die Regeln überarbeiten und vor allem den Erzählteil auf jeden Fall etwas freier gestalten. Es ist eigentlich ein wichtiges Element von Turbo-Fate, dass ein Spieler seine Lieblingsmethode einsetzen können soll, wenn er die Anwendung anhand der Situation erklären kann. Das hätte vor allem auch bei den Situationen geholfen, wo die Kinder mit ihren Werten nicht zufrieden waren. Gerade unsere beiden Jungs müssen sich im Moment scheinbar viel mit anderen vergleichen und wenn sie mal nicht mithalten können, sind sie gerne mal schnell frustriert. Erklärungen individuelle Potentiale betreffend sitzen nicht so richtig, wenn man die Figuren und ihre Potential derart einschränkt.

Und vermutlich werde ich einen weniger abstrakten Ansatz anstatt eines Raumschiffes wählen. Oder vorher mit den Geburstagsgästen als Einführung entsprechendes hören, lesen oder sehen. Die Sternenritter sind hier im Moment sehr populär. Das wünschen sich die Kinder bereits als nächstes Rollenspielprojekt.




3 Kommentare:

  1. Hallo!
    Ich lese sehr gern von deinen Rollenspiel-mit-Kindern-Geschichten, schon allein deswegen, weil es mich früher oder später auch betrifft. Kann Deinen Stress sehr gut nachvollziehen und werde es mir merken.
    Ich überlege ja, ob man eigentlich schon mit vier Jahren - und sehr rudimentären Regeln - mit Rollenspiel anfangen kann...

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    1. Mit vier Jahren ist früh, aber ich kann Deine Ungeduld verstehen. ;) Die Regeln müssen dann eben sehr einfach sein und die Hürden der dramatischen Belastbarkeit eines so kleinen Stöpsels angepasst.

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    2. Joa, meine Idee war es, mit interaktiven Bettgeschichten anzufangen. Aber mal schauen.

      Was du mit "Hürden der dramatischen Belastbarkeit" meinst, ist mir aufgefallen, als ich das erste Mal mit Vierzehnjährigen gespielt habe und mich wunderte, wie intensiv die meine uralten Spontanimprovisationen mitgespielt haben. ^^

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