Sonntag, 9. April 2017

Der Kampf mit dem Kampf

Ich habe mich die Tage durch die neunte Folge des Rollenspiel-Podcasts Pen & Podcast gearbeitet und war mit Begeisterung dabei. Wie es bei mir mit einem Podcast nunmal ist, dessen Thema mich anspricht und mitnimmt, würde mich hier und da am liebsten selbst einschalten. Für den jeweiligen Moment bleiben mir für den spontanen Diskurs unterwegs (wo ich Podcasts i.d.R. höre) maximal Passanten oder Mitfahrer im ÖPNV. Für die spätere Verarbeitung habe ich meine Frau, befreundete Rollenspieler... und Euch.

Mit dem Titel "Stört Kampf die Narrative?" ging es in der Episode in etwa darum, was beim Kampf im Rollenspiel in Hinsicht auf das Ausspielen der eigenen Rolle anders ist, als während anderer Szenen. Und ich behaupte einfach mal, dass beinahe jeder Rollenspieler diese Unwucht nachvollziehen kann.

Auch wenn ich es eine Unwucht nenne, will ich dem keine Wertigkeit zuweisen. Ob der Unterschied gut oder schlecht ist, darf jede Spielrunde oder jeder Spieler selbst für sich bestimmen. Ich kann mich an eine alte Mechkrieger-Runde erinnern, in der es klar wie Kloßbrühe war, dass im Verlauf der Geschichte klassisches Battletech gespielt wird. Bei meiner ersten Begegnung mit Splittermond war ich allerdings völlig vor den Kopf gestoßen, wie hart und für mich ziemlich unattraktiv der Bruch zwischen Kampf und dem Rest war (beginnend mit dem "Buffen" vor dem Kampf).

Viel Kampf, viel Ehr

Ich kann die im Podcast vertretene Einschätzung voll und ganz teilen, dass Kämpfe einen wesentlichen Teil von Rollenspielen ausmachen. Warum? Ich bin mir sicher, dass es dazu inzwischen sogar schon wissenschaftliche Abhandlungen gibt (vielleicht von rollenspielenden Wissenschaftlern oder vielleicht über die Rolle von Kämpfen im Spiel im Allgemeinen). Ich selbst empfinde Kämpfe als einen essentiellen Teil einer dramatischen Geschichte, wie sie mir gefällt, wobei es aber nicht immer gleich um Leben und Tod gehen muss (wer steht noch auf Bud Spencer und Terence Hill?).

Und selbst, wenn meine persönlichen Präferenzen anders lägen: In vielen Rollenspielbüchern wird dem Kampf überaus viel Platz eingeräumt - keine andere Art von Szene verfügt über eine auch nur annähernd so seiten- und regelaufwändige Auseinandersetzung. Wochenlange Reisen, stundenlange Nachforschungen und andere, komplexe oder zeitraubende Ereignisse können mit einem kurzen Absatz erklärt oder einem schnellen Würfelwurf abgehandelt werden - bei einem Kampf wird die Geschwindigkeit in der Regel auf Zeitlupe gestellt. Wer Actionfilme mag (z.B. ich), dem kann das durchaus auch gefallen.

Wer eine Figur spielt, der (unter anderem) die Rolle des Kämpfers inne wohnt, der wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in diesen Szenen besonders wohl fühlen. Der Kampf ist deine Szene, dein "Spotlight". Und da verbirgt sich dann gleich die nächste Unwucht. Unabhängig davon, ob ein Kampf die Erzählung unterbricht oder nicht, bietet er dem Kämpfer eine große Plattform für die Darstellung seiner Rolle. Andere Rollen (Dieb, Diplomat, ...) können es im Vergleich schwer haben, einen ähnlich aufwändigen Schwerpunkt zu genießen - besonders, wenn Erfolg oder Misserfolg ihrer Bemühungen mit einer schnellen Probe erzählt sind. Meine Rolle als Philodox damals fand ich ziemlich schwierig und mit dem Spotlight des Ahroun mitzuhalten war echt schwierig (was sich hinter den Begriffen versteckt, wird hier erklärt)...

Ein Zielkonflikt

Im Podcast wird davon erzählt, wie wichtig Kämpfe sind und welche Konsequenzen der Ausgang auf die Ereignisse hat. Natürlich soll es bei einem Kampf um etwas gehen. Wie die meisten Szenen, soll sie die Erzählung fortschreiben und in die eine oder andere Richtung lenken. Es wird im Podcast aber auch angedeutet, dass Kämpfe für die SC tödlich sein sollten, damit sie wirken. Ich kenne diese Einstellung auch aus meinen Rollenspielkreisen und kann sie nachvollziehen. Das bedeutet aber auch, dass jeder beteiligte SC gut genug sein muss, um sein Überleben zu sichern (oder, dass die Zusammenarbeit entsprechend sein muss). Wer nicht die richtigen Fähigkeiten mitbringt, verliert! Und damit meine ich explizit auch Spieler, die die Fähigkeiten ihrer Figuren kennen und allgemein die Regeln drauf haben müssen.

Auch derartiges habe ich schon erlebt. Ein Narr, der an der Stelle versucht, seine Figur konsequent zu spielen und dafür im Kampf entscheidende Vorteile aufgibt. Sieht man das Ausspielen der Rolle seiner Figur als ein Ziel während einer Rollenspielrunde, gerät man mit dem Ziel des Überlebens seiner Figur hier in einen klaren Zielkonflikt. Auflösen kann das die von der SL erdachte Choreografie des Kampfes - zumindest, wenn die Würfel das nicht verhindern. Auflösen kann das aber auch die Spielmechanik, die solche Zielkonflikte gar nicht erst zulässt.

Ende der Fahnenstange

Müssen Kämpfe die Erzählung unterbrechen oder tun sie das überhaupt? Ich behaupte, dass das nicht der Fall ist. Sieht man die Erzählung als alle Handlungen und Ereignisse in einem Rollenspiel, kann man die Frage ganz objektiv verneinen, denn es geschehen ja Dinge, es passiert ja etwas. Sieht man die Erzählung als das authentische Ausleben der jeweiligen Rolle, könnte man dort wirklich einen anhaltenden Bruch finden. Aber wie in dem Podcast auch angesprochen wird, kommt es praktisch jedesmal zu einer Unterbrechung, wenn die Würfel rollen (sollen).

Die Frage steht und fällt also mit den Erwartungen der Spielrunde, was diese Frage wieder in den Fokus des Gruppenvertrages richtet, der meiner Meinung nach der Grundpfeiler aller Bemühungen am Spieltisch ist. Und die Frage ist natürlich auch, welche Rolle der Kampf haben soll. Kämpfe beinhalten immer irgendwie ein "Alles oder Nichts", wenn sie mit tödlichen Waffen ausgetragen werden und sie werden meistens aus der Sicht einer Partei angegangen, die gewinnen will - eine andere Option kommt nicht in Frage. Wenn verlieren bedeutet, dass alle SC sterben (dank des Einflusses der MMORPG auch im Rollenspiel dieser Tage oftmals "Total Party Kill" oder kurz TPK genannt), ist die Geschichte an der Stelle zu Ende. Wenn man das so betrachtet, klingt das doch ziemlich blöd und aus spielerischer Sicht ziemlich sinnfrei. So wie Proben, die das Spiel nur bei Erfolg fortführen.

Und ich kann mich nicht erinnern, dass es bei uns in einer Runde mal vorkam, dass ein Spieler seine Figur die Waffen strecken lies, weil sie nur noch wenige Lebenspunkte hatte und sie der nächste Treffer ins Jenseits befördern könnte. Gerne befanden sich die Spieler an dieser Stelle irgendwo zwischen Trotz und Verzweiflung. Aber aufgeben?

Erzählerische Konflikte

Ich bin ursprünglich auf Fate gestoßen, weil ich nach Regeln gesucht habe, wie man Kämpfe ausserhalb von Waffengängen abbilden kann - Streitgespräche, Verhandlungen, soziale Erniedrigungen und so weiter. Und Fate nennt diese Regeln dementsprechend auch nicht Kampfregeln, sondern Regeln für Konflikte. Und der Schaden nennt sich Stress und Konsequenzen.

Ich mag die Begriffe und das Bild, das sie abgeben. Es ist universal einsetzbar und damit sind auch jene Spieler in der Lage, szenenlange Kämpfe auszutragen, die keine Waffen führen und niemandes Blut vergießen wollen oder müssen. Es ist auf jeden Fall einfacher, einen Schwerthieb zu beschreiben, als eine schlagfertig geführte Argumentation in einem geistigen oder sozialen Konflikt. Aber auch an der Stelle kann man Handeln oder Ansinnen aus der dritten Person umschreiben und die Würfel entscheiden lassen - kein Spieler muss ein guter Redner sein, um einen guten Redner spielen zu können (auch wenn es für alle durchaus schöner anzusehen ist, wenn dem so ist).

Die vier Aktionen mit den Fertigkeiten oder Methoden kombinierend, kann jeder Held zudem in einem Kampf "etwas reißen" - man ist nicht auf Kampffertigkeiten beschränkt. Und selbst, wenn einem selbst nichts hilfreiches einfallen will, andere Mitspieler haben ganz sicher ein paar passende Vorschläge. Und dann sind da noch die Aspekte im Spiel, allen voran die Charakteraspekte. Mit Hilfe der Spielrunde erzählen sie auch in Konflikten davon, wie der und nur der SC an dieser Stelle etwas bewirkt - beim Einsetzen als Vor- oder Nachteil oder durch auftretende Komplikationen beim Reizen.

Was für mich mit Fate in diesem Thema aber am entscheidensten ist, ist der Wechsel der Perspektive vom "ich" oder wir in Bezug auf die Spieler als Fraktion zum "wir" im Sinne der gesamten Spielrunde. Ziel des Kampfes soll es sein, ein spannendes Kapitel in der Geschichte zu erzählen. Und wer auch immer den Kampf für sich entscheidet, die Geschichte geht danach weiter - kein SC muss deswegen ausscheiden. Entsprechend werden zu jedem Kampf klar die Ziele der Parteien definiert, die in der Regel durchaus differenzierter sein können, als der Tod der Mitglieder der einen Partei.

Wenn man das im Auge behält, gewinnt der Kampf als Ganzes, aber auch das Schicksal einzelner Teilnehmer eine besondere Bedeutung.

Das bedeutet übrigens nicht, dass Kämpfe bei Fate nicht ebenfalls lang(atmig) werden können. Auch hier ist ein wenig Fingerspitzengefühl der Spielleitung gefragt, was die Choreografie angeht. Aber dafür bietet Fate eine ganze Reihe von Vorschlägen, angefangen damit, eine Gruppe von Gegnern zusammen zu fassen oder einen einzelnen (End)Gegner in Teile zu zerlegen (da gibt es einen schicken Artikel im Fate Codex zu, den ich gerade nicht wieder finde).
Nachtrag (02.05.2017): Der Text "Monster mit mehreren Zonen" findet sich im Fate Handbuch ab Seite 162 oder im SRD hier.

Wer sich die Folge anhören will, sei hier nochmals an den Podcast verwiesen. Der gibt es über iTunes oder diesen Link:
PEN & PODCAST S01E09 – MAKE COMBAT GREAT AGAIN. STÖRT KAMPF DIE NARRATIVE?




3 Kommentare:

  1. @Kämpfer im Kampf einen Fokus: Das gilt aber nicht für die DnD-Schule, da ist jeder im Kampf nützlich. In der Theorie. Jeder hat sogar eine eigene Nische. Kurzum, Spaß für alle.

    Wenn ich hingegen in einem RPG zwei SC habe, die auf physischen Konflikt ausgelegt sind und zwei, die so nützlich sind we ein Kropf, dann ... will das RPG offensichtlich etwas anderes von mir, als es DnD will.

    @Kein TPK / nie aufgeben: Ich denke ja immer das eine bedingt das andere. Natürlich ist man mit Feuereifer dabei, irgendwo draufzudreschen und ewägt nicht immer alle Optionen sorgsam ab - aber nur wenn es TPKs gibt, überlege ich mir doch auch Alternativen. dann muss ich mich halt mal von der Ogerhorde gefangen nehmen lassen, vor dem Drachen in eine enge Höhle fliehen und die Räuber mit Beute ablenken oder ihnen eine Märchengeschichte aufschwatzen. Erst durch Kämpfe, die gefährlich werden können, ist es ja nötig, andere Wege zu gehen, auch einen kreativen Angriff vorzutragen, ein Bündnis einzugehen oder die Zombies in den Teich zu locken. Wenn ich hingegen weiß, dass der SL sich sagt: Kleine Zufallsbegegnung gleich keine Gefahr für SCs kann das für mich dann auch keine Spannung erzeugen. {Für mich ist Spannung und Herausforderung auch ein wichtiger Bestandteil neben Immersion}

    Soweit einige ungeordnete Gedanken.

    Fate hatte ich ja neulich gespielt, mochte es tatsächlich, würde es aber nicht dauerhaft wollen, den auch wenn es einige Aspekte gut und besser als andere umsetzt, setzt es den Punkt Herausforderung schlechter um, als andere.

    Ich mag da z.B. die naritativen Würfel von Star Wars gerne, die viele Optionen öffnen und das System eigentlich immer reichlich Alternativen zum Kampf bietet.

    Ich würde Fate aber auf einer Con oder bei guter Gelegenheit durchaus mal wieder spielen. ^^

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    1. Durch die D&D-Schule bin ich nie gegangen (auch wenn ich früher mal AD&D oder später auch mal D&D getestet habe). Aber auch aus einigen Shadowrun-Runden kenne ich den Ansatz, das grundlegend jeder Kämpfen kann. Potentiell transportiert Fate oder zumindest Turbo-Fate das ja auch.

      Ich habe meistens in Runden gespielt, in denen der Tod der Helden nicht grundlegend vorgesehen war - was allerdings selten vorher besprochen wurde. Da erzeugt ein Kampf natürlich keine Spannung dadurch, das dem Helden mit dem Tod gedroht wird. gelingen oder scheitern gibt es dennoch, aber eher an den Zielen der Kontrahenten gemessen (z.B. stehlen vs. beschützen).

      Star Wars von FFG habe ich bisher nicht testen können (wie so vieles anderes auch... :( ). Zum einen, weil ich nach wie vor der WEG-Version verhaftet bin (oder über SW mit Fate nachdenke), zum anderen, weil sich einfach noch nicht die Gelegenheit ergab (obwohl ich Boxen davon schon im Vereinsschrank gesehen habe).

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    2. Da ich eine SW-Box gerade zum GRT benutzt habe: Da ist wirklich alles drin, was Du zum Spielen brauchst. Die Würfel müssen halt geteilt werden, aber das ist ja nicht wirklich ein Problem. Gerade auch für starwarsbegeisterte Jundspunde ...

      Ich kenne solche Runden und ja, da hatten Kämpfe auch lange Zeit eteas herunterwürfendes für mich. Erst ein TPK hat mir da endgültig die Augen geöffnet, für mich bis heute eine der schönsten Situationen, wo ich bestimmt zwei, drei Stunden unter Hochspannung war. Und hinterher für jeden SC {zu denen ich auch gehörte} eine Möglichkeit fand, wie er hätte den Kampf womöglich entscheidend hätte verändern können. Daher auch die Idee, dass ein TPK womöglich auch ein Augenöffner sein kann ^^ {Zu Beginn der Runde, etwa zwei Jahre früher, reifte so langsam ARS und wir wendeten einiges davon an, genau wie erstmals battlemapbasiertes Spiel ausprobiert wurde. Sprich: in der Runde empfand ich Kämpfe vorher auch schon als spannend.}

      @Im Kampf nix tun: Tatsächlich begegnet es mir recht selten, nur bei einer DSA-Proberunde war das dann tatsächlich so. Manch einer hatte die X-tausend XP ins Kämpfen gesteckt bekommen, mach anderer in Gesteins-, Berg-, Minen-, Geröll-, Hang-, Hügel- und Steinkunde {nur leicht übertrieben ...}, das sind dann ggf. halt auch die {möglichen} Vorteile von Klassen {jeder bekommt eine Nische, auch im Kampf} und Stufen {ich bin gezwungen meine Kompetenz auch im Kampf zu steigern, wenn ich eine Stufe bekomme - oder anders: um den ETW0 kommt keiner rum ...}.

      Bei Fate konnte sich wirklich jeder gut am Kampf beteiligen, tatsächlich hab ich auch die ganze Zeit eher Vorteile erschaffen oder etwas anders kreatives gemacht, einfach weil es sich anbot und leicht umzusetzen war.

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