Dienstag, 23. August 2016

Fans und andere Spezialisten

Ich hatte gerade einen sehr aufwühlenden Weg von der Arbeit nach hause. Das lag nicht am Wetter, nicht an den unterwegs gefangenen Pokémons, noch an dem unterwegs gefangenen Einkauf. Schon gar nicht am Verkehr oder deren weiteren Teilnehmern - ich gehe zu Fuß. Es lag an der nebenbei verzehrten Folge 4 des FateCast mit dem Titel "Fate Core und Turbo-Fate – Unterschiede und Gemeinsamkeiten".

Ich bin ein großer Fan des FateCast. Ich mag die Sprecher und ich mag, dass sie sich mit meinem aktuellen Lieblingsrollenspiel beschäftigen. Ich kann es ihnen auch verzeihen, wenn Sie das Grundregelwerk nicht (ganz) gelesen oder noch nie ein Turbo-Fate Abenteuer gespielt haben. Wie viele andere, die sich derzeit mit Fate beschäftigen, sind sie auf einer anhaltenden Entdeckungstour und stellen auch in Folge 4 nochmal klar, dass ihnen auf ihrer Reise die Themen sicherlich nicht so schnell ausgehen werden. Und auch wenn das scherzhaft gemeint war, könnte auch eine Neuauflage bereits behandelter Themen zu einem späteren Zeitpunkt den Themenkomplex Fate bereichern, da sich Sicht und Erkenntnisse der Forscher mit der Zeit sicherlich auf die eine oder andere Weise gewandelt haben werden.

Und auch wenn ich mich in vielen Aussagen wieder finde, störe ich mich daran, Fate Core und Turbo-Fate als zwei unterschiedliche Spiele zu sehen. Oder dies überhaupt zur Diskussion zu stellen.

Die zwei, die nur eins sind

Ich hatte ja angenommen, dass die Sprecher unter dem Titel der Folge das Grundkonzept von Fate Core zerlegen und erklären. Stattdessen sind sie sich nicht einig und vertreten dahingehend bis zuletzt ihre eigenen Meinungen. Dabei würde ich meinen, dass es da keine zwei Meinungen gibt.
Das klingt jetzt furchtbar dogmatisch (vor allem im Anbetracht meiner grundlegenden Einstellung zu Dogmatismen im Rollenspiel). Aber wo es einer der Autoren schon selber so beschreibt...
"Fate Core and Fate Accelerated Are Not Different Games"
Das ist nicht in einem übertragenen oder Indi-Spiele verallgemeinernden Sinne zu verstehen. Das ist für meine Begriffe so banal wie es nur geht.

Keine Frage: Optisch und inhaltlich gibt es große Unterschiede zwischen den Büchern. Turbo-Fate würde ich nicht einmal als Buch denn als Heft bezeichnen. Aber das Delta ist grob ähnlich wie der Unterschied zwischen dem Shadowrun-5-Grundregelwerk und dem Schnellstarterheft des gleichen Systems. In dem dünneren Druckwerk ist nur ein Bruchteil dessen enthalten, was im dickeren ist. Aber das komplette Heft ist eine Teilmenge des Buches.

Nein, das bedeutet nicht, das sich jeder Absatz von Turbo-Fate 1:1 in Fate Core wiederfinden lässt. Was man in Fate Core findet, ist ein Baukasten mit vielen Beispielen und viel Erklärungstext. Wie zum Beispiel bei den Fertigkeiten. Die Beschreibung der in Fate Core aufgeführten (Grund)Fertigkeiten beginnt wie folgt:
"Auf den folgenden Seiten befinden sich Beispielfertigkeiten mit Stunts, die du in deinem Spiel benutzen kannst. Das sind die Grundfertigkeiten, die für alle Beispiele in diesem Buch genutzt werden. Sie sollten ein gutes Fundament für deine eigenen Fertigkeitslisten bilden. Du kannst Fertigkeiten dazu nehmen und streichen, wie es dir beliebt."
Das bedeutet, dass es ein Teil des Beispieles ist, das Provozieren die einzige Fertigkeit ist, mit der man geistige Angriffe durchführen kann. Das bedeutet, dass es ein Teil des Beispieles ist, das man nicht mit jeder Fertigkeit alle vier Aktionen durchführen kann. Das bedeutet, dass es Teil des Beispieles ist, dass man mit Wille und Kraft das zu verkraftende Stresspotential erhöhen kann. Und der Umgang mit den Fertigkeiten ist wiederum nur ein Beispiel dafür, wie die Beschaffenheit von Fate Core ist.

Ein weiteres gutes Beispiel für die Natur von Fate Core bieten die verschiedenen Kästchen im Grundregelwerk sowie die Existenz des Fate Handbuches. Oder die regeltechnischen Ideen, die sich in fast jeder weiteren auf Fate Core basierenden Publikation finden. Optionen sind hier nichts, was man anstatt der üblichen Regeln, sondern was man anstatt der im Grundregelwerk aufgeführten Beispiele verwendet werden könnte.

Nichts wird so heiß gegessen...

Das bedeutet nicht, dass ich den Sprechern ihre Einstellung verüble. Ich bin verwundert. Und ich sehe den FateCast oder diesen, meinen Beitrag als eine Art und Weise sich mit seinem Hobby und seinem Lieblingsspiel zu beschäftigen. Und wer weiß, wie meine Meinung ist, wenn ich das Thema das nächste mal anfasse. FateCast: Weiter so!

Zu dem Thema interessiert Euch vielleicht auch meine Meinung zu dem Unterschied von Fertigkeiten zu Methoden.





5 Kommentare:

  1. Ein schönes Beispiel für Fate Core = Turbo Fate liefert übrigens The Secrets of Cats. SC werden da mit FC gebaut, Geister nutzen aber Turbo Fate. Turbo Fate ist halt ein bestimmter Satz an Werkzeugen aus der Fate Core-Werkzeugkiste, mit dem ich manche Dinge leichter und andere schwieriger bearbeiten kann.

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    1. Oh Mann, mit was für einem Account habe ich hier gepostet?!? Das ist ja mein alter EVE-Online-Name. O_o

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    2. In den Abenteuerband habe ich noch gar nicht reingesehen. Danke für den Hinweis.
      Wenn Du willst, kann ich Deine Kommentare löschen und Du kannst sie mit einem anderen Benutzerkonto hinterlassen. ;)

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  2. Hey, hier Andre vom FateCast, danke für den Artikel! =D

    Ich kann dir im Hauptpunkt zustimmen und bin wie du davon ausgegangen, dass der Baukastencharakter selbstverständlich ist bzw. schon im Artikel vom Herrn Hicks ausgeführt wird ("Build", was wir ja auch im Podcast aufgreifen). Mir ging es eher darum, die Frage aus einer praktischeren und vor allem (!) einer fate-internen Perspektive zu betrachten, wie wir sie ja im Podcast haben: Was machen diese "Builds"? Und da bin ich halt für mich persönlich zu dem Schluss gekommen, dass die Bücher so krass unterschiedliche didaktische Philosophien verfolgen und Spielerlebnisse erzeugen, dass ich sie nicht als dasselbe Spiel bezeichnen würde - und sei es nur, um ihre Unterschiede zu unterstreichen.
    Aber, wie gegen Anfang und Ende des Podcasts gesagt, ich verstehe den Herrn Hicks da schon sehr gut, und letztendlich ist es nur eine Frage der Perspektive: Was meint man, wenn man vom "selben Spiel" redet? Mein Intention war also ein Gegenpol, weil ich die Betrachtung, die er da vornimmt, auf der praktischen und internen (!) Ebene nur bedingt sinnvoll finde, zumindest nicht für Leute, die sich schon praktisch mit Fate beschäftigt haben. Es ist sozusagen eher ein theoretisches Trittbrett in den Fate-Komplex (und so war der Blogpost auch gemeint, denke ich), das recht schnell in sich zusammenfallen kann, wenn es innerhalb dieses Komplexes mit der Praxis in Berührung kommt.
    Spiele wie Secret of Cats oder mein Opus Magnum, die Teile aus beiden Varianten benutzen, unterstreichen das auch in einem gewissen Sinne, eben WEIL sie gezwungen sind, die beiden Builds zu vermischen, um ihr Setting gut herüberzubringen. Sie bilden in meinen Augen weitere Spiele, die weder Fate Core, noch Turbo-Fate sind. Man kann natürlich auch sagen, dass sie gerade das zum selben Spiel macht ... und das ist sicherlich auch nicht falsch. Die Frage ist halt, was man mit einer solchen Aussage erreichen will, und je nach Ziel finde ich eine der beiden Perspektiven sinnvoller.

    Noch ein Praxisding aus dem Rollenspielschreiben: Gerade in Deutschland kannst du noch so oft in ein Buch schreiben, dass Regel XY optional oder nur ein Beispiel ist, Rollenspieler neigen trotz allem dazu, das, was im Buch steht, als "besser" zu betrachten und zu bevorzugen. Selbst Fate-Spieler! Und während man sich da lang und breit drüber beschweren kann, ist das gerade in einem so eng verzahnten Spiel wie Fate gar nicht mal unbegründet: Die Sachen, die in FC und Turbo stehen, funktionieren halt (größtenteils ;D). Wenn man anfängt, eigene Fertigkeiten, Stunts und Regeln zu basteln, gibt es tatsächlich eine sehr gute Chance, dass die Ergebnisse schlechter als die Beispiele im Buch sind. Deshalb kann das Spiel noch so sehr ein Baukasten sein: Die gebotenen Beispiel haben nicht nur eine krasse Beispielwirkung (höhö), sondern sind mit Sicherheit auch die "Builds", die statistisch am häufigsten verwendet werden. Und sie in diesem Kontext als "nur ein Beispiel" abzutun, ist imho zu theoretisch gedacht, auch wenn es theoretisch gesehen natürlich vollkommen korrekt ist.

    tl;dr (für die Turbo-Fraktion! ;D) ... es kommt auf die Perspektive an, und ich denke nicht, dass sich dein bzw. Hicks' "dasselbe Spiel" mit meinem "unterschiedliche Spiele" beißt. Im Gegensatz denke ich, dass erst durch beide Perspektiven ein wirklich praktisch verwendbares Bild des Fate-Komplexes entsteht.
    Der Podcast hat das mit Sicherheit nicht deutlich genug gemacht, weil er irgendwo auch etwas provokant angelegt war. Das tut mir aber nur bedingt leid, solang es dadurch zu guten Diskussionen kommt. Insofern nochmal danke für den konstruktiven Blogpost! =)

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    1. Moin Andre. Wusstest Du, das wir schon mal das Vergnügen miteinander hatten?
      https://www.youtube.com/watch?v=Ku6nRjFEQD0

      Auch wenn Du Deine Ansicht von der Spielpraxis dominieren lässt, sehe ich die wesentlichen Unterschiede nicht. Fate Core ist meiner Meinung nach Größer als die Beispiele im Grundregelwerk oder von Turbo-Fate. Diese spielen sich auch für meinen Geschmack unterschiedlich, aber die Basis - und das ist nunmal die Theorie aus dem Grundregelwerk - ist gleich. Das man das aber im Spiel schwer erfühlen kann, kann ich verstehen.
      Mcih regen alle Beispiele an, mit ihnen zu experimentieren. Ob diese Konstruktionen am Ende besser oder schlechter sind, wird wohl ein Mysterium bleiben, da das jeweils sehr individuelle Attribute sind und da diese Konstruktionen ähnlich wie auch die Interpretation der Grundregeln in der Regel lebendig also stetigen Anpassungen ausgesetzt sind.
      Natürlich steht der pratiksche Nutzen also die Rollenspielpraxis im Vordergrund. Die Bücher selber sind erstmal nichts anderes als Theorie und als solche ist Turbo-Fate Fate Core in einer eigenen Version und es sind keine zwei unterschiedlichen Rollenspiele - meiner Sicht nach.

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