Mittwoch, 20. Mai 2015

Schicksalskinder

Ich habe mir letzte Woche das Rollenspielbuch... äh...heft Turbo-Fate zugelegt. Dabei handelt es sich um den kleinen Bruder von Fate Core. Core und Turbo sind universelle Rollenspielsysteme, kommen also ohne Hintergrund aus, sondern bieten ein für jeden beliebigen Hintergrund nutzbares Regelsystem. Und ich habe zweierlei mit Turbo-Fate vor.

In halbwegs regelmäßigen Abständen treffen wir uns inzwischen mit der Familie für einen Rollenspielabend. Frau, Schwager, Nichten und Anhängsel saßen nun schon mehrfach für dramatische Shadowrun-Abenteuer zusammen. Einige kennen Rollenspiel nur von unseren SR-Sitzungen und ich habe große Lust, andere Hintergründe auszuprobieren - und zwar mit Turbo-Fate. Früher habe ich oft verschiedene Hintergründe in einzelnen Abenteuern bespielt und so es für diesen Hintergrund kein eigenes Rollenspiel gab, das ich kannte und beherrschte, habe ich GURPS benutzt. Das bedurfte allerdings auch immer einer Menge an Vorbereitung.

Ich habe Fate bereits in verschiedenen Versionen ausprobiert, zuletzt einige Spielsitzungen mit FreeFATE in einem Space Opera Hintergrund geleitet und vor einigen Monaten einmal das schicke Atomic Robo gespielt. Mit Fate und im Speziellen Turbo-Fate glaube ich mich an genau der Stelle, meinen Drang neue Hintergründe auszuprobieren, deutlich unkomplizierter ausleben zu können. Ich hoffe meine Spieler ziehen mit... aber die werde ich sicherlich schon anstecken.

Mein zweiter Wunsch in Bezug auf Turbo-Fate gebührt anderen Familienmitgliedern. Dazu will ich hier kurz einen Text veröffentlichen, den ich vor einigen Wochen in der G+ Rollenspielcommunity schrieb:
Ich habe es inzwischen getan, drei Mal. 
Die erste Runde bestand aus mir, meiner Frau und unseren beiden Jungs (5 und 7), die zweite Runde aus mir und drei Jungs (unsere beiden mit einem Kumpel) und die dritte Runde gestern aus 7 Spielern (3 Erwachsenen und 4 Kindern).
Wie schon vorher überlegt ging es tatsächlich um Plüschtierabenteuer im Spielzeugladen mit einfachen Fudge-Würfeln. Und jede Sitzung verfeinerten sich die Regeln, bis ich gestern sogar Erfahrungsstufe eingeführt habe. 
Regeln
Jede Figur hat eine Rolle. Die ersten beiden Sitzungen haben wir das noch jeweils per Zufall entschieden, jetzt haben mich die Kinder gebeten, dass ihre Plüschis die letzten Rollen bitte behalten dürfen. Die Rollen sind "Erfinder", "Zauberer" und "Kraftprotz" und die Ideen zur Lösung von Problemen sollen mit den Rollen einhergehen. Proben werden mit einem Würfel gewürfelt und nur bei einem + geschafft, wobei sich die Plüschis unterstützen, wenn es nicht klappt - sie brauchen nur jeweils eigene Ideen, die sie vorher formulieren müssen und die zu ihrer Rolle passen. 
Die ersten Sitzungen hatte ich noch unterstützende Ausrüstungskärtchen oder so genutzt, in der Runde gestern habe ich das komplett weggelassen. Da meine beiden Jungs gestern in ihr drittes Abenteuer starteten, habe ich Stufen eingeführt und sie durften ab sofort immer zwei Würfel werfen und den besseren aussuchen. Weitere Regeln gab es nicht, alles andere wurde erzählt. 
Hintergrund
Die Plüschis Mausi, Gufi und Schildi (eine Maus, ein Klett-Affe und eine Schildkröte) leben in einem riesigen Spielzeugladen und die erste Geschichte ging so los, dass sie eines Nachts (wenn die Trampler weg sind) von Icke (Socken-Handpuppe) aufgeregt erzählt bekamen, dass Susi Import (kleine Maus) mit einem ferngesteuerten Flugzeug irgendwo im Laden verschollen ist. An Hindernissen wie hohen Regalen, wilden Plüschhunden und Ballwäldern vorbei gelang es ihnen, Susi zu retten und das ferngesteuerte Flugzeug zu reparieren. Als ich zum zweiten Abenteuer einlud (Mausi spielte nicht mit, dafür war Nili das Nilpferd dabei), wurde ich von den Jungs gebeten, dass es diesmal draussen stattfinden solle, weswegen sich Susi diesmal mit einem ferngesteuerten Auto aus dem Laden heraus bugsiert hatte. Wieder konnte sie gerettet werden. Und gestern hatte sie sich mit Silvesterraketen zum Mond schießen wollen, was schief ging und wieder musste sie gerettet werden. 
Die Geschichten kommen ohne Antagonisten aus. Zwar gibt es die "Bunten Hunde", die niemanden durch ihr Territorium lassen, ohne dass dieser nicht etwa tausend Mal mit ihnen das Stöckchen-werfen Spiel spielt und draussen, auf dem großen Parkplatz ist die des Nachts arbeitende Kehrmaschine (und deren Fahrer) immer mal wieder eine Gefahr, aber sie sind nur Hindernisse - nicht Böse, aber da. Die Geschichten um Susi haben sich genau so zu einem festen Bestandteil gemausert (war erstmal gar nicht vorgesehen), wie der von Schildi immer am Ende gezauberte Zauber, dass alles wieder wie vorher ist (also nichts kaputt und so). Die Abenteuer sind immer nur etwa 20 bis 30 Minuten lang und die Kinder (und Erwachsenen) sind mit wildem Eifer dabei. 
Fazit
Problemlösungen stehen im Vordergrund und die Kinder haben zum Teil tolle Ideen. Paul Import (Susis Bruder) ist traurig und kann gar nicht richtig erzählen, was eigentlich passiert ist (was die Helden jetzt aber wissen müssen). Ein Problem. Gufi schlägt vor, Paul durchzukitzeln, damit er nicht mehr traurig ist und Nili will mal eben eine Witzmaschine bauen, die hundert lustige Witze erzählt und Paul so aufheitert. Einfache Lösungen und die Würfel rollen. 
Wir werden das in der Art sicherlich eine Weile weiter so spielen. Ich bin aber schon mal gespannt, wann die Kinder weitere Änderungen zu den Spielsitzungen oder Abenteuern haben und wie sich das verändern wird, was sie als unterhaltsam dabei empfinden.

Ich überlege, ob ich die Regeln nicht nach und nach in Richtung Turbo-Fate anpasse. Ich mag dabei vor allem den Ansatz, dass Fate keine dedizierten Kampfregeln hat, sondern lediglich Regeln für Konflikte - ich will schließlich keinen Kampf in meiner Runde haben, zumindest noch nicht. Dazu hatte ich vor meinen ersten Versuchen mit den Kindern an anderer Stelle einige Vorüberlegungen veröffentlicht. Außerdem glaube ich, dass der Abstraktionsgrad der für die Proben notwendigen Methoden für die Kinder kein Hindernis ist. Das haben zumindest ein paar Gespräche mit den Kindern um das neue Rollenspiel schon gezeigt.

Kurios ist dabei übrigens, dass im Kapitel "Was mache ich als SL?" von Turbo-Fate folgendes steht:
Für ein Szenario brauchst Du zwei Dinge: Einen Schurken mit einem Plan und einen Grund, warum die SC ihn nicht ignorieren können.
Ich weiß, dass ich auch ohne Schurke auskomme. Mal sehen, wie lange das noch so bleibt.
;)

Ach, übrigens: Die Juni Folge vom Spielgeflüster Podcast wird sich unter anderem mit Neueinsteigern im Rollenspiel beschäftigen. Vielleicht bin ich wieder mit dabei und kann dann Neues zum dem Thema erzählen.

Nachtrag (21.05.15): Ab sofort gibt es übrigens auch Fate Core auf deutsch zum Download. Kostenlos!
>> http://www.faterpg.de/2015/05/turbo-fate-fate-core-stehen-zum-download-bereit/

2 Kommentare:

  1. Ja, ein Spielgeflüster rund um Neueinsteiger wäre spannend!

    Tolles Projekt Deinerseits!

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  2. Und tatsächlich gibt es eine Folge vom weltweit beliebten Spielgeflüster Podcast, der sich mit dem Thema "Rollenspiel mit Kindern" beschäftigt. Und ich durfte mitreden.
    https://youtu.be/y7tk8v3CqeE

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