Donnerstag, 6. November 2014

Ein glatter Durchschuss

Neulich gelang es einem meiner Charaktere vergleichsweise leicht, mit einem Faustschlag ein Loch in eine Wand zu hämmern, durch das unser Team dann in ein vermeintlich sicheres Objekt eindringen konnte. Unmittelbar nach der Szene hatte ich mir vorgenommen, mir die Barriereregeln von Shadowrun 5 näher unter die Lupe zu nehmen. Das will ich nun tun und in zwei getrennten Beiträgen dabei die entsprechenden Regeln mit denen von Shadowrun 4 vergleichen.
Die Regeln für Barrieren geben im Grunde zwei Verwendungsmöglichkeiten vor. Zum einen den Angriff auf die Barriere selbst und zum anderen den Angriff auf ein Ziel direkt dahinter. Heute will ich mich erstmal mit letzterem befassen.



Wie sehen die Regeln bei beiden Editionen aus?

Barrierestufen haben einen Strukturwert, das Pendant zum Zustandsmonitor. Dazu hat jede Barriere einen Panzerungswert. Ballert man durch eine Barriere, muss der modifizierte Schadenscode die Panzerungsstufe der Barriere übertreffen um nicht abzuprallen. Das sind die Gemeinsamkeiten bei den beiden Editionen.

Die Werte der einzelnen Barrieren wurden in der 5. Edition leicht verändert und anstatt dem Ziel eine zusätzliche Panzerung zu bieten, wird der Schaden pauschal durch die Barriere verringert. Klingt ähnlich, kann aber interessante Nebenwirkungen haben.

Tatsächlich ließt sich Shadowrun 5 an der Stelle so, als gäbe es zu einem Ziel zwei konkurrierende Ansätze. Unter "Schiessen durch Barrieren" auf Seite 196 wird erklärt, dass der Schaden auf die Barriere wirkt und diese mit Strukturstufe + Panzerung widersteht. Den dann noch übrig geblieben Schaden kassiert die Barriere und ist dieser höher als die Strukturstufe, wirkt der überzählige Schaden auf das Ziel dahinter. Der andere Ansatz wird kurz darauf unter der Überschrift "Penetrierende Waffen" beschrieben (S. 197). Dabei wird der Schaden wie oben schon angedeutet pauschal um 1 bis 3 (je nach Anzahl der Kugeln, also ob Einzelschuss oder Salve) gesenkt, allerdings ohne das die Art der Barriere dabei berücksichtigt wird. Die Erklärung, dass penetrierender Schaden von Waffen stamme, deren "Energie hauptsächlich durch das Eindringen ins Ziel" übertragen würde, lässt vermuten, dass der Unterschied hier bei der Art der Waffe oder des Angriffes liegt. Näher wird das allerdings nicht erklärt.

Ich konstruiere hier nun zwei Beispiele, die die beiden Varianten anhand der Regeln der beiden Editionen veranschaulichen. Dabei lasse ich den Ansatz von SR5 weg, bei dem die Barriere zuerst dem ganzen Schaden widersteht (s.o.).


Beispiel A

Bei einer Schießerei springt ein Gegner hinter einem umgestürzten Tisch in Deckung. Auf diesen wird mit einer Schweren Pistole (Ares Predator, was sonst?) geschossen. Das Ziel hinter dem Tisch sieht den Angriff nicht, kann also nicht ausweichen. Der Schütze trifft mit zwei Erfolgen.

Shadowrun 4 - Die Pred macht 5K Schaden und hat einen PB von -1. Da das Ziel nicht ausweicht, werden die zwei Erfolge des Schützen unmittelbar zu Nettoerfolgen und ergeben einen modifizierten Schadenscode von 7K. Das Ziel widersteht mit seiner Konstitution plus Panzerung plus Panzerungsstufe des Tisches minus 1 für den PB.
Gehen wir davon aus, dass das Ziel Fertigkeiten und Attribute auf einem Wert von 3 hat und eine Panzerweste trägt, heißt das: Konstitution 3 plus Panzerung (Ballistik) 6 plus Panzerung des Tisches von 5 plus PB -1 gleich 13. Erwarten wir für jeweils 3 Würfel einen Erfolg, würde das Ziel den Schaden um 4 Punkte senken, also auf 3. Dieser Schaden wäre aufgrund der Panzerung dann Betäubungsschaden (Panzerung aus Tisch und Weste größer oder gleich modifizierter Schaden).

Shadowrun 5 - Die 5. Edition hat die Daumenschrauben angezogen, denn die dort aktuellste Variante der Pred mach 8K Schaden mit DK -1 (Der Panzerbrechwert PB wird bei SR5 durch die Durchschlagskraft DK ersetzt, funktioniert aber gleich). Hier bringen die Erfolge den modifizierten Schaden also auf 10K.
Die Panzerungsstufe des Tisches beträgt 6, die Kugel geht also durch (sie würde abprallen, wenn der modifizierte Schadenscode kleiner oder gleich der Panzerungsstufe wäre). Wird ein Ziel hinter einer Barriere durch eine einzelne Kugel getroffen, wird der Schaden um 1 gesenkt, das Ziel muss also 9K widerstehen. genauer 9B, da die Panzerweste bei SR5 einen Panzerungswert von 9 hat.
Also Konstitution 3 plus Panzerung 9 minus DK 1 gleich 12 Würfel. Wieder vereinfacht 4 Erfolge und damit am Ende ein Betäubungsschaden von 5.

Fazit - Der Schaden ist bei SR5 am Ende zwar höher, das liegt aber nicht an den Regeln zur Barrierestufe, sondern daran, dass der Schadenscode praktisch aller Waffen in der Edition gestiegen ist. Wie auch die Panzerungsstufe getragener Panzerungen.


Beispiel B

Ein Schütze nimmt mit einem Sturmgewehr (AK-97) einen Gegner hinter einer Panzerglasscheibe aufs Visir. Die Scheibe geht vom Boden bis zur Decke, das Ziel hat also keine visuelle Deckung. Es wird so umfassend ausweichen, wie es die Regeln ermöglichen. Der Schütze schießt eine kurze, weite Salve und hat 4 Erfolge erzielt.

Shadowrun 4 - Das Ziel versucht volles Ausweichen. Mit Reaktion 3, Ausweichen 3 und den zwei Punkten Abzug durch die weite Salve kommt es auf 4 Würfel, was einen Erfolg ergibt. Mit den drei Nettoerfolgen des Schützen beträgt der Schaden 9K.
Für den Schadenswiderstand würfelt das Ziel Konstitution 3 plus Panzerung 6 plus Panzerglas-Panzerung 9 plus dem PB von -1, sind 17 Würfel, vereinfacht also 5 Erfolge.
Damit bekommt das Ziel 4 Punkte Schaden und da die 9K modifizierter Schaden kleiner sind als die Summe der Panzerungsstufen von 6 und 9 ist es wieder Betäubungsschaden.

Shadowrun 5 - Mit vollen Ausweichen erhält das Ziel hier einen Würfelpool von 7 Würfel. Reaktion 3 plus Intuition 3 plus Willenskraft 3 minus 2 Punkte für die Salve. Es gibt im SR5 Grundregelwerk übrigens keine "engen" Salven. Salven modifizieren laut Grundregelwerk nur den Abwehrwurf des Zieles, nicht wahlweise stattdessen den Schaden. Nach SR4 Denkweise sind also alle Salven "weit". Bei 7 Würfeln erreicht das Ziel vereinfacht 2 Erfolge und es bleiben dem Schützen demnach 2 Nettoerfolge. Die AK-97 macht 10K Grundschaden (DK -2), was den modifizierten Schadenscode nun mit 12K beziffert.
Wieder wird der modifzierte Schadenscode mit dem modifizierten Panzerungswert der Barriere verglichen. Panzerglas hat bei SR5 einen Panzerungswert von 12 und nur dank des DK von -2 (was die Panzerung auf 10 senkt) prallen die Kugeln nicht vom Panzerglas ab.
Da die Salve aus 3 Kugeln besteht, wird der modifizierte Schaden um 2 gesenkt und das Ziel muss 10K widerstehen. Dazu hat es mit Konstitution 3 plus Panzerung 9 plus DK -2 insgesamt 10 Würfel zur Verfügung und erreicht vereinfacht 3 Erfolge. Da der modifizierte Schadenscode mit 10K über der Panzerungsstufe der Panzerweste liegt, sind die verbliebenden 7 Punkte körperlicher Schaden.

Fazit - Es wird wieder sehr deutlich, dass SR5 tödlicher ist als die vorherige Edition (7K anstatt 4B mit dem gleichen Angriff!). Das liegt beiderseits an der Gesamtkomposition und an den Barriereregeln. Anstatt den Würfelpool beim Schadenswiderstand zu erhöhen, werden 1 bis 3 automatische Erfolge spendiert, was meiner einfachen Rechnung nach Würfelpools von 3 bis 9 entspricht. Erst bei höheren Panzerungsstufen kann das zu einem deutlichen Unterschied führen. Spannender ist da auf jeden Fall der Umstand, dass die Regeln von SR5 dazu führen, dass der Schaden - so er die Barriere überhaupt durchdringen kann - nicht so leicht zu Betäubungsschaden wird wie bei SR4. Bedenkt man, was für eine Waffe eine kapitale Bunkerwand durchdringen müsste (Panzerungsstufe 32), so wäre die Wahrscheinlichkeit bei SR4 ziemlich groß, dass das Ziel dahinter nur Betäubungsschaden nimmt - dessen Panzerung wird ja um 32 erhöht. Bei SR5 hingegen gingen ein bis drei Punkte pauschal runter und dann steht das Ziel alleine da...

Mal sehen, ob der zweite Teil Unterschiede hervor bringt.





Ein glatter Durchschuss ist mein Beitrag zum RSP-Karneval Thema Mauern [November 2014].




8 Kommentare:

  1. Interessanter Regelausflug ins Shadowrun-Universum.

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  2. Es gibt bei SR5 also keine engen Salven zur Schadenserhöhung mehr, gleichzeitig senkt eine Barriere aber den Schaden je nach Anzahl der Kugeln? Heißt, wenn das Ziel nicht ausweichen kann, und sich hinter dem undurchsichtigen Tisch verbirgt, ist es effektiver, nur eine einzelne Kugel durchzuschießen statt den Tisch mit einer 10er-Salve zu durchsieben - das scheint mir nicht gerade logisch zu sein.

    Trotzdem danke, ich würde gern noch mehr aktuelle Einblicke von dir lesen, bin immer noch nicht zum ausführlichen 5er-Studium gekomen...

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    1. Ja Du hast recht. Es würde keinen Unterschied machen, ob man in einer Handlung eine oder mehrere Kugel durch den Tisch jagt, der Gegner bekäme nicht mehr schaden.
      Im Run&Gun (Kreuzfeuer auf deutsch, habe aber nur R&G) wird mit erweiteren Kampfoptionen wieder die Möglichkeit eingeführt, anstatt des Ausweichmalus mehr Schaden zu produzieren. Auf S. 119 finden sich die Optionen "Aimed Burst" (SM, 3 Kugeln, +1 Schaden) und "Brain Blaster" (AM, 6 Kugeln, +2 Schaden).

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  3. ... was aber dann auch mit der Kreuzfeuer-Option hieße, dass es schadenstechnisch keinen Unterschied macht, ob der Typ hinter dem Tisch nun von einer Kugel (Grundschaden -1) oder von sechs Kugeln (Grundschaden +2 -3) getroffen wird... o.0
    SR5 hinkt hier mMn immer noch ziemlich der Spielweltlogik hinterher.

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    1. Ja, offenbar eine blöde Lücke.
      Vielleicht ist hier die Option die bessere, erst die Barriere zu zerstören...?
      Ich lese mich da noch mal durch, vielleicht habe ich ja etwas übersehen.

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  4. Kleine Korrektur: 10er Salve bedeutet 4 Schaden an der Barriere, den Rest für das Ziel dahinter (also nicht nur 1 bis 3).

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  5. Da ich SR4 nie gespielt habe und mit SR5 (wieder) eingestiegen bin wurmt mich der Vergleich nicht. Was ich etwas unglücklich finde ist, dass es zwei verschiedene Modi Operandi gibt, nämlich den für Penetrierende Waffen und einen weiteren für alle anderen Schadensquellen an Barrieren. Verwendet man konsequent die Penetrierende Waffen Regelung auch bei dem Zauber Physische Barriere bringt außerdem die Physische Barriere als Zauber m.E. zu wenig. Sie hält ja kaum Schaden auf, da sie einfach durchschossen werden kann. Ist das so oder mache ich irgendwo einen Denkfehler?

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